Die deutsche Messelandschaft gehört zu den stärksten und einflussreichsten der Welt. Doch die Zeiten ändern sich. Unternehmen fragen sich, welchen Stellenwert ihre Messepräsenz im digitalen Zeitalter noch hat. Denn Produktinformationen sind über das Internet heute detaillierter und vollständiger zu recherchieren als jemals zuvor.
Wie also können sich Messekonzepte den Anforderungen einer vernetzten Welt anpassen? Und noch viel wichtiger: Wie können Aussteller das volle Potential moderner Messen nutzen? Ein genauerer Blick auf den Status Quo und die Entwicklungen im Messegeschäft bringt Aufschluss.
Die deutsche Messelandschaft ist stark wie nie.
Die aktuellen Branchenkennzahlen des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft e.V. (AUMA) machen es deutlich: Deutsche Messen sind weltweit die Nummer Eins, wenn es um die Ausrichtung nationaler und internationaler Messen geht. Um nur einige Zahlen zu nennen:
- Die Statistik verzeichnet im Vergleich zum Vorjahr 1 Prozent mehr Aussteller auf 186 untersuchten Messen.
- Die Standfläche betrug rund 7,55 Millionen Quadratmeter und damit ein halbes Prozent mehr als im Vorjahr.
- Für die Durchführung überregionaler Messen standen insgesamt 2,8 Millionen Quadratmeter Hallenfläche an 26 Messestandorten zur Verfügung.
- Zehn Messegelände in Deutschland verfügen über mehr als 100.000 Quadratmeter, weitere fünf Gelände über mehr als 50.000 Quadratmeter Hallenfläche.
- Drei davon gehören zu den fünf größten Messegeländen der Welt.
Das sind beeindruckende Zahlen. Und sie zeigen, wie international bedeutend dieser Wirtschaftszweig in Deutschland ist.
Das globale Szenario hat Konsequenzen für Messeziele und -konzepte.
Bei so positiven Entwicklungen – was also erhoffen sich die Unternehmen von einer Messeteilnahme? Die Mehrheit der Unternehmen beantworten diese Frage folgendermaßen:
- Gewinnung neuer Kunden,
- Pflege von Stammkunden,
- Steigerung des Bekanntheitsgrades,
- Vorstellung der Produkte,
- Verbesserung des Images,
- Erschließung neuer Märkte,
- Gewinnung neuer Mitarbeiter,
- Beobachtung des Wettbewerbs und
- Verkauf von Produkten.
Was aber passiert mit diesen Messezielen, wenn sich das Szenario in einer digitalen Weltgemeinschaft verändert?
Einerseits können Informationen über Produkte im digitalen Zeitalter viel schneller und detaillierter über das Internet abgerufen werden. Auch der Verkauf lässt sich über Online-Kanäle leicht steuern.
Andererseits nimmt die Komplexität der Produkte und ihrer Anwendungsmöglichkeiten weltweit deutlich zu. Damit steigt die Erklärungsbedürftigkeit immens an. Ferner sind immer mehr Märkte gesättigt. Die Vielfalt an Produkten und der globale Markt erschaffen eine für den Verbraucher nahezu unüberschaubare Angebotssituation.
Wozu braucht ein Unternehmen also zukünftig einen Messeauftritt? Meine Antwort: Unternehmen brauchen nicht irgendeinen Messeauftritt. Sie brauchen eine höchst emotionalisierende, aktivierende und mit allen Sinnen erlebbare Messepräsenz. Eine, die der Komplexität und Angebotsdichte sowie der globalen Informationsflut etwas entgegenzusetzen hat – nämlich Positionierung und Orientierung.
Kurz gesagt:
„Unternehmen brauchen einen Messeauftritt, der das Live-Erlebnis in den Mittelpunkt rückt.“
Eine emotionale Vermittlung von Informationen und der persönliche Kontakt zum „Menschen“ – also zum Messebesucher – muss in den Vordergrund rücken. Nur Live-Erlebnisse und entsprechende Inszenierungen können die emotionale Komponente liefern, die fehlt, wenn Informationen lediglich in digitaler Form abgerufen werden.
Verbraucher wünschen sich ein Messe-Erlebnis mit Event-Charakter.
Verbraucher möchten Produkte und Dienstleitungen in Aktion sehen. Sie haben heute völlig andere Ansprüche, wenn es darum geht, die Produktqualität und Funktionalität zu beurteilen. Sie möchten hautnah erfahren, wie Produkte miteinander interagieren und welchen Nutzen sie davon haben.
Der moderne Messebesucher möchte spüren, begreifen, riechen, schmecken und ausprobieren. Und er möchte einen Blick in die Zukunft werfen oder noch besser: einen faszinierenden, möglichst realistischen Einblick in neue Zukunftswelten gewinnen. Kurz und gut: Er möchte beeindruckt werden, von unvergesslichen Eindrücken mitgerissen und emotional berührt werden.
Messen sind ein solcher Ort, an dem der Besucher all das erleben kann – und zwar nicht nur für ein Produkt oder eine Marke, sondern für das gesamte Angebot in seinem individuellen Interessensbereich.
Entscheidend dabei ist: Der Besucher erwartet sich von Messen eine andere Form der Information, als er sie aus dem Internet zur Genüge kennt. Und genau hier liegt die Chance von modernen Messekonzepten: Messen können zum Kommunikationsinstrument mit höchstem Potential werden, wenn sie sich auf die emotionale, multisensorische Ansprache konzentrieren, das menschliche Erleben in den Mittelpunkt stellen und damit genau Eines werden: ein echter Event.
Die Automobilbranche macht es vor und erobert neues Messe-Terrain.
Die Automobilbranche ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Thema „Messe“ neu gedacht werden kann. Denn kein Besucher geht heute noch auf die Automobilausstellung in Frankfurt, um nur neue Autos zu sehen. Zumal ein neues Automodell beim Händler in einem viel intimeren Ambiente angesehen und sogar Probe gefahren werden kann.
Vielmehr muss das Gesamterlebnis zur faszinierenden Erlebniswelt inszeniert werden, um die Besucherströme anzulocken. Die Möglichkeit, alle zukunftsprägenden technologischen Entwicklungen auf kleinstem Raum und in kürzester Zeit zu erleben, ist der eigentliche Magnet. Und das ganze möglichst emotional und mitreißend. So zumindest die Theorie.
Denn eine sehr eindeutige Meinung zu IAA und Co. wird beispielsweise in einem Beitrag auf Stern.de geäußert. Dort heißt es vernichtend: „Langweiliger als auf den betagten Motorshows in Genf, Frankfurt oder Detroit kann man Autos kaum präsentieren.“
Dies beweist einmal mehr: In einer Welt, in der die Globalisierung und Digitalisierung dazu führt, dass Märkte und Produkte immer mehr miteinander verschmelzen und Informationen dazu rund um die Uhr im Internet abgerufen werden können, werden traditionelle Messekonzepte infrage gestellt.
Auf der Suche nach einer anderen Form der Kundenansprache betreten viele Autobauer neues, noch weitgehend unbekanntes Messe-Terrain. Man könnte fast sagen, sie gehen fremd. Denn sie stärken ihre Präsenzen auf Messen, wie der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas, der Fashion Week in New York oder der South by Southwest (SXSW) in Austin. Ganz zu schweigen von diversen Möbelmessen in Norditalien.
Autos sind hier zwar nicht mehr als schmückendes Beiwerk. Dennoch hat die Präsentation im ungewöhnlichen Ambiente einen bestimmten Anspruch und viel Charme. Und ein ganz konkretes Ziel.
Wenn sich beispielsweise Autohersteller auf der CES in Las Vegas präsentieren, ist das alles andere als der Versuch, IT-Nerds als neues Kundenpotential zu erschließen. Vielmehr geht es darum, die Automarke als Innovationstreiber unserer digitalen Gesellschaft zu positionieren. Und zwar mit hohem emotionalen Intelligenz-Quotient.
Bei dieser Entwicklung ganz vorne mit dabei ist Mercedes, wie der oben erwähnte Beitrag auf Stern.de deutlich macht. Nur Produkte zeigen, das war einmal. Viel lieber launcht Mercedes-Benz gemeinsam mit der Tech- und Künstlerkonferenz South by Southwest in Austin, Texas, ein neues Veranstaltungsformat. Die „Me Convention“ soll dem Diskurs zu Zukunftsthemen neue Impulse geben. Im Fokus stehen dabei Dialog, Interaktion, Networking und Unterhaltung.
Klarer kann man einen Trend nicht beschreiben: Produktschau war gestern, branchenübergreifende Live-Events sind die Zukunft.
Mein Fazit: Zielgruppen, Standorte und Konzepte ändern sich, der Mensch bleibt.
Aus meiner Sicht gibt es für den gelungenen Messeauftritt nur einen Weg in die Zukunft: Dieser ist erlebnis- und dialog-stark, hoch emotional und ganz nah am Menschen. Dabei werden sich zu den traditionellen Standorten mit Fachpublikum viele weitere, interessant Messepräsenzen sowie neue Formate gesellen, auf denen es vor allem um eine übergreifende, stark emotionalisierende Positionierung der Marke geht.
Nur wer Messe-Events inszeniert, wird bleibenden Eindruck erlangen.
Messen sind und bleiben wichtig. Marken und Produkte brauchen Messen. Jedoch müssen sich die Unternehmen weiterentwickeln und Messen neu bespielen. Viele Aussteller präsentieren sich heute noch genauso wie vor zehn Jahren. Das ist ein Auslaufmodell. Denn Messebesucher erwarten im digitalen Zeitalter von einer Messe weit mehr als reine Information oder Produktschau.
Unternehmen sind gefordert, ihre Marken und Produkte auf einzigartige Weise, mit allen Sinnen erfassbar und emotional zu präsentieren. Um die Marke mit positiven Gefühlen aufzuladen und unvergesslich zu machen. Um auf Image und Prestige einzuzahlen.
Wer nur über Preis und Funktionalität beeindrucken will, wird an der Messe scheitern. Wer die Messe als globalen Event konzipiert, wird mit der Zukunft der Messe wachsen.