Spannungsfeld Kunde-Agentur: Wie Freelancer den Druck verschärfen

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Auch schon vor der Digitalisierung unserer Gesellschaft waren freiberufliche Tätigkeiten in der Live-Kommunikation Gang und Gäbe. Vor allem Kreativleistungen werden gerne zugekauft. Seitdem jedoch immer mehr Projektmanager und Kreative ihr Glück in der Freiberuflichkeit suchen, verschärft sich die Lage für Agenturen und deren Kunden zunehmend.

Das digitale Nomadentum droht die Agenturlandschaft sowie die Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kunde deutlich zu verändern. Doch welche Wünsche und Bedürfnisse prägen dieses Szenario? Und wie sieht die zukünftige Arbeitssituation in der Live-Kommunikation aus? Tatsache ist: Die Arbeit im Spannungsverhältnis zwischen Agentur, Mitarbeiter und Kunde wird komplexer. Und birgt einige Risiken – für Agenturchefs und Kunden gleichermaßen.

Wie Freelancer die Kundenbindung und Wirtschaftlichkeit von Agenturen bedrohen

Je beliebter freiberufliche Tätigkeiten in der Live-Kommunikation werden, desto mehr bringt das Agenturen in Bedrängnis:

  • Gerade, wenn kurzfristige und komplexe Projekte durchgeführt werden, erweist sich die Zusammenarbeit mit Freelancern als äußerst schwierig. Diese sind nicht immer so kurzfristig verfügbar und auch inhaltlich nicht so schnell auf dem gewünschten Stand.
  • Zudem spielt bei langfristigen Kundenbeziehungen die Kontinuität der persönlichen Betreuung und ein ausgeprägtes Beziehungsmanagement eine tragende Rolle. Dies kann von wechselnden Freelancern nicht in gleichem Maße erfüllt werden.
  • Dazu kommt, dass freie Projektmanager sich nur schwer in die Unternehmenskultur integrieren lassen – insbesondere dann, wenn diese Unternehmenskultur sehr ausgeprägt ist und eine spezifische Denkweise sowie Philosophie beinhaltet. Es dauert eine Weile, bis ein Externer diese Methoden erlernt hat und sein Potential voll entfalten kann – wenn er überhaupt diese Zeit und den Willen mitbringt, sich in die Agentur auf diese Art einzubringen.
  • Diese „weichen“ Faktoren werden durch eine weitere, ganz konkrete Problematik ergänzt: die Kosten. Denn in den meisten Fällen ist es für eine Agentur nicht wirtschaftlich, den erhöhten Aufwand für Freiberufler zu tragen.

Was die Freiberuflichkeit so attraktiv macht

Doch was treibt so viele Projektmanager und Kreative in die Freiberuflichkeit? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen, welche Motivationen, Wünsche und Träume stehen dahinter? In vielen Gesprächen mit Freelancern sind es vor allem zwei Konstanten, die immer wieder als Begründung für die genannte Entwicklung genannt werden: digitalisierte Arbeits- und Kommunikationsabläufe sowie der Traum von der großen Freiheit. Wobei Ersteres die Phantasien für Letzteres befeuert.

  • Der Wunsch „frei“ zu sein, steht über allem. Dazu gehört es, sich von festen Arbeitsverhältnissen zu lösen. Diese stehen für viele jüngere Menschen für Überstunden und schlechten Verdienst – woran die Agenturwelt wohl nicht ganz unschuldig ist.
  • Dazu kommt der zunehmende Druck auf Arbeitnehmer, einen Teil des unternehmerischen Risikos mit zu schultern. Digitalisierte Arbeitsabläufe sorgen für mehr Eigenverantwortlichkeit und forcieren den Anspruch an Mitarbeiter, unternehmerisch zu denken. Gleichzeitig sorgen sie für die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten. Welcher Druck nun schwerer wiegt – das Risiko der Selbständigkeit oder die Verantwortung gegenüber einem Agenturchef – ist für viele nicht mehr eindeutig auszumachen. Die Flucht in die Freiberuflichkeit ist oftmals die logische Folge. Wenn schon Verantwortung und Online-Arbeit, dann zumindest frei, so scheint die Devise zu lauten.
  • Unterstützt werden diese Sehnsüchte durch Coworking-Spaces, die überall auf der Welt aus dem Boden sprießen. Diese locken massiv mit attraktiven Vorteilen. In der Coworking-Community erhalten Freelancer exklusive Serviceangebote und Vergünstigungen – maßgeschneidert nach ihren persönlichen Bedürfnissen und bereits ab 50 Euro im Monat. Die Infrastruktur einer festen Büroumgebung hat als Argument gegen Freiberuflichkeit ausgedient und ist jederzeit nach Lust und Laune zukaufbar.
  • Sprudeln die Aufträge als Freiberufler erst einmal herein und wird ein höherer Verdienst erzielt, rücken Existenzängste schnell in den Hintergrund oder werden locker überspielt.
  • Unterstützt wird das Ganze durch die Möglichkeit, als Freiberufler seine ganz eigenen Arbeits- und Urlaubsrhythmen festzulegen. Die Perspektive, nur so viel arbeiten zu müssen, wie man zum Leben benötigt, ist gerade für jüngere Menschen verlockend.

Das Original-Zitat eines Projektmanagers stellt das wie folgt klar:

„Ich muss in diesem Jahr nur noch 30 Tage arbeiten, dann bin ich durch. Ich kann entspannt drei Monate nach Portugal oder Sri Lanka zum Surfen fahren… Ende Oktober stehe ich frühestens wieder für Aufträge zur Verfügung.“

Hat irgendjemand noch Fragen?

Was die Kunden wollen: mehr Effizienz, Wettbewerb und konstante Betreuung

Als wäre das geschilderte Szenario rund um den Freiheitsdrang von Mitarbeitern nicht ohnehin schwierig genug, so kommt weiterer Gegendruck für Agenturen aus anderer Richtung: und zwar von Kundenseite.

Die Ergebnisse einer Studie des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen GWA e.V. zu den „Agentur-Kundenbeziehungen von morgen“ zeigt deutlich, was Kunden von ihren Kommunikationsagenturen erwarten.

Die Kernerkenntnisse daraus lauten:

  • Der Kosten- und Effizienzdruck auf Agenturen wird weiter steigen. Obwohl dieser schon in der Vergangenheit sehr hoch war, glauben 80 Prozent der Agenturvertreter und 78 Prozent der Unternehmensvertreter, dass die Agentur-Kunden-Beziehung von morgen noch kostenorientierter und effizienter wird. Der Preisdruck liegt auch darin begründet, dass Marketing im Unternehmen verstärkt unter Rechtfertigungszwang steht, die Anforderungen an das Marketing steigen, während Budgets allenfalls stabil bleiben.
  • Die Agentur-Kunden-Beziehung wird fremdbestimmter und komplexer werden. Insgesamt 77 Prozent der Agentur- und 58 Prozent der Unternehmensvertreter kommen zu dieser Ansicht, da immer mehr marketingfremde Akteure mitreden. Vor allem der Einkauf erhöht den Druck bei Pitches und fordert häufigere Ausschreibungen.

Von den vielen weiteren Wünschen der Auftraggeber an die Agenturen, die in der Studie zur Sprache kommen, sind vor dem Hintergrund steigender Freelancer-Zahlen vor allem die folgenden interessant:

Kunden wünschen sich von Agenturmitarbeitern unter anderem…

  • …ein ausreichendes Konsumenten- und Marktverständnis sowie spezifisches Zukunfts-Know-how,
  • … mehr Impulse und Inspiration,
  • … hohe Beratungskompetenz,
  • … ein top Projektmanagement,
  • … ein klares Agenturprofil,
  • … transparente Prozesse,
  • … Verbindlichkeit und
  • …personelle Konstanz.

Diese Antworten können sehr gut für den Bereich der Live-Markenerlebnisse adaptiert werden. Vor allem der Wunsch der Kunden nach einem kompetenten, konstanten Sparringspartner für strategische Fragen stellt hohe Anforderungen an Agenturmitarbeiter. Und eben jene Wünsche sind es auch, die sich mit einer überwiegend auf Freelancern basierenden Agenturarbeit kaum abbilden lassen. Was also tun?

Was Agenturen brauchen: flexiblere Arbeitskonzepte und bessere Mitarbeiterbindung

Für Agenturen bedeuten diese Erkenntnisse vor allem Eines: Um den Kunden die gewünschten stabilen, umfassenden Agenturleistungen auf einer wirtschaftlich sinnvollen Grundlage anbieten zu können, müssen Mitarbeiter überwiegend im festem Angestelltenverhältnis gehalten werden. Und das wiederum bedeutet: Die Agentur muss sich für qualifizierte Mitarbeiter als attraktiver Arbeitgeber positionieren.

Das funktioniert nur mit dem idealen Arbeitsplatz. Doch wie sieht dieser aus?

  • Hilfreich ist es sicherlich, wenn die Arbeitsräume inspirierend sind und eine Umgebung geschaffen wird, in der die Mitarbeiter sich wohl fühlen und effizient arbeiten können.
  • Hinzu kommt, dass die Work-Life-Balance eine Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben ermöglicht oder sogar unterstützt. Im optimalen Fall ist das dann der viel zitierte Work-Life-Blend – der fließende Übergang von Arbeiten und Leben, wenn Arbeit gleich Leben ist und sinnstiftend wirkt.
  • Zu solchen Konzepten zählt das mobile Arbeiten im Home-Office, im Café oder beim Kunden ebenso wie auf Veranstaltungen oder im Agenturbüro. Das klassische Arbeitsplatzmodell löst sich auf.

Insgesamt ergibt sich aus diesen und weiteren, individuellen Faktoren ein ganzes Bündel an attraktiven Sonderleistungen, das die Mitarbeiterbindung erhöht. Dazu gehört auf jeden Fall ein attraktives Arbeitszeitmodell, welches ausreichend Erholungsphasen ermöglicht sowie ein nachvollziehbares und attraktives Verdienst- und Karrieremodell.

Wir bei der Service Factory bieten beispielsweise…

  • … Freizeitausgleich für Samstagsarbeit oder monetäre Entlohnung mit steuerfreiem Zuschlag für die Sonntagsarbeit.
  • … die Möglichkeit, am Freitag ab 15.00 Uhr ins Wochenende zu gehen. Dadurch werden die im Event-Bereich nicht immer vermeidbaren Überschreitungen der Wochenarbeitszeiten kontinuierlich abgebaut.
  • … die Verlegung von Arbeiten in das Home-Office.
  • … die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmenserfolg in Form eines Bonussystems.
  • … weitere kleine Aufmerksamkeiten, wie kostenfreie Getränke, Tee, Kaffeespezialitäten und frisches Obst oder die Möglichkeit, ein Cabriolet fürs Wochenende zu nutzen.

All diese Maßnahmen führen zu einem positiven Agenturklima und werden in Zukunft immer wichtiger werden.

Andererseits übertragen wir den Mitarbeitern auch sehr viel Verantwortung. Wir fordern und fördern ihr unternehmerisches Denken und Handeln. Denn es ist allen klar: Nur wenn wir als Unternehmen erfolgreich sind, können wir diese Sonderleistungen gewähren. Und somit tragen diese Maßnahmen letztendlich dazu bei, dass die Mitarbeiter den Erfolg der Agentur aktiv mitgestalten.

Allerdings ist auch klar: Mehr Verantwortung und Flexibilität sind nicht pauschal heilsbringend. Ob ein Mitarbeiter zufrieden ist oder nicht, hängt nicht nur von den Arbeitsbedingungen ab, sondern auch vom jeweiligen Persönlichkeitstyp. Ich denke:

„Nur wenn Mensch und Agentur, Jobprofil und individuelle Wünsche zusammenpassen, kann das bestmögliche Ergebnis für den Kunden erzielt werden.“

Mein Fazit: Effizienz braucht Wertschätzung für Bestleistung.

Agenturen befinden sich in einem gefährlichen Spannungsfeld zwischen den Anforderungen von Kunden, zunehmendem Kostendruck und den Wünschen nach Freiheit strebender Mitarbeiter.

Während sich die Schere zwischen kundenseitigen Anforderungen und zur Verfügung gestelltem Budget immer weiter öffnet, sinken die Stundensätze und viele Agenturen finanzieren sich nur noch aus Umsätzen, nicht aus Gewinn. Investitionen zu tätigen – vor allem auch in Instrumente der Mitarbeiterbindung –, wird immer schwieriger.

Gleichzeitig fordert ein effizienteres Arbeiten jedoch flexiblere Abläufe, weniger Extra-Schleifen und damit Bestleistung von jedem Mitarbeiter. Beste Leistung braucht beste Leute. Beste Ausbildung. Beste Bezahlung. Beste Arbeitsbedingungen.

Gemeinsames Ziel muss es folglich sein, in der Live-Kommunikation wieder zurück zu einem vernünftigen, partnerschaftlichen Miteinander zu kommen. Nur so kann der Teufelskreis durchbrochen werden, der unweigerlich von schlechter Ausbildung, über geringe Gehälter und Abwanderung in die Freiberuflichkeit bis hin zum Fachkräftemangel und Imageverlust des gesamten Berufsbildes führt. Alle Beteiligten sollten sich vor Augen führen: Diese Spirale ist gefährlich – für Agenturen und Kunden.

Stattdessen sollten wir zu einem neuen Konsens finden. Und dieser heißt: Wertschätzung für Leistung. Nur so kann Effizienz und kompetente Beratungsleistung sichergestellt werden. Und genau jene Wertschätzung ist es, die Mitarbeiter bindet – auch gegen die Verlockungen des Traums vom freien Leben.