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Olaf Hartmann im Interview: Berührende Marken-Erlebnisse wirken besser!

Olaf Hartmann ist ein Pionier der deutschen Marketing-Szene. Was ihn besonders interessiert? Berührung. Haptik. Und was dabei in den Köpfen und Herzen der Konsumenten passiert. Diese besondere Leidenschaft hat ihn zum Experten für multisensorisches Marketing und zum Top-Fachautor werden lassen.

Sein Buch „Touch! Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing“, das er gemeinsam mit dem Konsumentenpsychologen und Wissenschaftsjournalisten Sebastian Haupt verfasste, war so schnell vergriffen, dass es gerade – nach nur einem Jahr! – in zweiter Auflage erschienen ist. Mit seiner Agentur Touchmore gründete Hartmann bereits 1995 die erste, auf haptische Markenkommunikation spezialisierte Agentur in Deutschland.  Seit 2009 bündelt er sein Wissen, Beratungsprojekte und den wissenschaftlichen Austausch im Multisense Institut für sensorisches Marketing.

Wenn man sich mit der Arbeit Olaf Hartmanns beschäftigt, wird schnell klar: In einer durch visuelle und akustische Reize überfluteten Werbe- und Kommunikationswelt haben haptische Effekte das Potential, eine Marke im Wettbewerb ganz weit nach vorne zu bringen. Das funktioniert besonders gut bei Live-Marken-Erlebnissen. Aber eben nicht nur.

Welche Anwendungsmöglichkeiten sogar die Experten faszinieren, darüber habe ich mit Olaf Hartmann gesprochen. Nur so viel: Es wird spannend!

Grupe:

Herr Hartmann, Sie beschäftigen sich bereits seit so vielen Jahren mit den haptischen Einflüssen auf die Markenwahrnehmung. Was ist es, was Sie so sehr an diesem Thema fesselt?

Hartmann:

Der haptische Sinn wurde in der klassischen Marketingforschung sehr lange vergessen. Und das, obwohl er der erste Sinn ist, der sich im Embryo entwickelt und der letzte, der uns verlässt. Er ist quasi der Sinn des Lebens.

Ich komme ja aus der klassischen Werbung und habe dort ganz deutlich die vorherrschende Hierarchie der Sinne gespürt. Audiovisuelle Medien waren immer ganz cool und alle wollten das machen. Aber ich habe auch beobachtet, dass sobald Objekte auf dem Tisch standen, beispielsweise wenn wir über das Gastgeschenk für einen Event diskutierten, plötzlich die Augen aller Beteiligten leuchteten und viel mehr Emotion im Raum war. Die Reaktion auf Objekte war eine völlig andere, als auf bloße optische Reize.

Auch in meiner Arbeit im Managementtraining am Institut für Betriebswirtschaft der Universität St. Gallen durfte ich erleben, dass Haptik ein einzigartiger Sinn ist, wenn wir eine nachhaltige Erinnerung erzeugen wollen.

Beispielsweise wurde in Experimenten festgestellt, dass wir uns doppelt so gut an etwas erinnern, das wir angefasst haben als an etwas, bei dem uns lediglich visuelle und auditive Informationen vorlagen.

Haptische Medien erzeugen durch ihre Körperlichkeit automatisch mehr Emotion und damit verankert sich auch damit verbundene Information besser im Gedächtnis. Dennoch wurde die Haptik selten strukturiert und strategisch bei Kampagnen eingesetzt. Die Rolle der Haptik in der Kommunikation – ihr großer Einfluss auf die Wahrnehmung, die Entscheidung und die Wertschätzung – wurde sehr lange unterschätzt.

In Wirklichkeit ist der Tastsinn aber ein verborgenes Juwel. Und dieses ungenutzte Potential faszinierte mich sofort.

Grupe:

Das multisensorische Marketing umfasst ja alle Sinne, also Sehen, Hören, Riechen, Tasten und Schmecken. Was macht gerade die Haptik für Markenverantwortliche so besonders interessant?

Hartmann:

Wenn man Haptik begreifen möchte, kommt man um eine Beschäftigung mit den anderen Sinnen nicht herum.

Wir nehmen die Welt hauptsächlich über unsere Augen wahr. Gleichzeitig sind wir aber daran gewöhnt, dass Augen getäuscht werden können – wir können uns versehen. Der zweite Sinn, den wir permanent wahrnehmen, ist das Hören. Aber wir alle kennen auch die Situation, wenn wir uns verhören.

Ich habe jedoch noch nie jemanden sagen hören: „Oh, da habe ich mich wohl verfühlt!“ Das Wort existiert nicht. Ich sehe etwas, das aussieht wie Metall. Aber erst wenn ich es berühre, weiß ich in Sekundenbruchteilen, ob es tatsächlich Metall oder doch Plastik ist.

Das bedeutet, der Zusammenhang zwischen einem haptischen Reiz und der Wahrheit ist fest verankert. Damit ist die Haptik unser Wahrheitssinn.

In einer digitalisierten, hochgetakteten Welt werden wir immer werbemüder. Die Haptik bedient da ein brachliegendes Bedürfnis, das schon John Naisbitt mit seinem Megatrend High Tech/High Touch beschrieben hat. Je technisierter die Welt, desto mehr sehnen sich die Menschen nach sensorischem Erleben.

 

Multisensorisches Marketing - Interview mit Olaf Hartmann - Service Factory - Eventagentur in München

Grupe:

Sie haben das ARIVA-Modell entwickelt – eine Art Leistungsübersicht, was die Haptik in Marketing, Kommunikation und Vertrieb leisten kann. Dabei beschreiben Sie das ARIVA-Modell als eine Art „Turbo-Booster,“ durch den der Marketingverantwortliche seine Botschaften entscheidend verstärken kann. Könnten Sie das kurz erklären?

Hartmann:

Das ARIVA-Modell ist ein Wirkungs-Dimensions-Modell. Es zeigt auf, in welchen Dimensionen ich Wirkung erzielen kann und lässt sich auf alle Arten von sensorischer Optimierung anwenden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass auch die optische Kommunikation haptisch optimiert werden kann. Denn das Gehirn übersetzt optische Informationen immer auch in Gefühle nach dem Motto: „Wie fühlt sich das an.“

Die erfolgreichsten Werbekampagnen arbeiten daher mit einer haptischen Bildsprache. Das beginnt mit einer subjektiven Kamera-Perspektive, die mich als Zuschauer in mein Körpergefühl hinein versetzt. Und dann sehe ich beispielswiese, wie jemand an einem Strand zu einer kalten Coca-Cola-Flasche greift. Das aktiviert die gleichen Areale im Gehirn, die auch die haptischen Reize verarbeiten würden, wenn ich wirklich nach der Flasche greifen würde.

Wenn ich also über haptische Optimierung spreche, beinhaltet das immer auch die Bildsprache.

Was erhält man durch diese Art der Optimierung? Man erhält eine Wirkung in fünf Dimensionen:

  • Haptik erzeugt Aufmerksamkeit. Ich kann mich zwar optisch oder akustisch berieseln lassen, aber wenn ich physisch zugreife, dann ist das immer eine bewusste Handlung. Damit einher geht ein höheres Aktivitätsniveau – auch in der Informationsverarbeitung.
  • Ferner erweitere ich durch Berührung das semantische Netzwerk, mit dem ich die damit verbundenen Informationen abspeichere. 40 Prozent unseres Gehirns wird für die Verarbeitung haptischer Reize und Bewegungssteuerung genutzt. Das bedeutet konkret: Ich habe fast doppelt soviel Rechenleistung zur Verfügung. Und das führt dazu, dass ich mich schneller und besser an Dinge erinnern kann, die ich einmal berührt habe. Wenn Kommunikation haptisch optimiert wird, erhöht das die Wiedererkennbarkeit und den Recall von Botschaften enorm.
  • Eine der besonderen Stärken der Haptik wird im ARIVA-Modell „Integrity“ genannt: Glaubwürdigkeit. Viele Marken erzählen im Prinzip das Gleiche. Die Frage ist aber: Wer erzählt es am intensivsten, am „merk-würdigsten“ und vor allem am glaubwürdigsten? Bei Marken, die ihre Botschaften haptisch spürbar machen, wird bei uns der Werbefilter im Gehirn ausgeschaltet. Haptische Botschaften sind für uns die Wahrheit. Punkt. Damit eignet sich eine haptische Inszenierung ganz hervorragend, um Glaubwürdigkeit herzustellen.
  • Ebenfalls sehr gut erforscht ist die Tatsache, dass die Haptik auch die Wertschätzung gegenüber Produkten sehr, sehr stark beeinflusst. Man kann messen, dass Menschen, die einen Gegenstand nur 20 Sekunden länger berühren, bis zu 50 Prozent mehr dafür bezahlen würden. Dieser sogenannte Besitztumseffekt ist wirklich verblüffend. Und das funktioniert sogar bei Dienstleistungen – und zwar dann, wenn man die Symbole dafür berührbar macht.
  • Die fünfte Dimension des ARIVA-Modells betrifft die Kaufwahrscheinlichkeit. Diese steigt mit zunehmender Wertschätzung. Dabei gilt das Zitat des amerikanischen Wirtschaftsexperten Richard Pascale, der sich intensiv mit Change-Management-Prozessen beschäftigt hat:

„It is easier to act your way in a new way of thinking than to think your way in a new way of acting.“

  • Wenn ich also die Einstellung zu einem Produkt verändern möchte, dann ist das am einfachsten, wenn ich das Handeln der Menschen verändere – wenn ich sie also dazu bewege, etwas zu tun, das sie normalerweise nicht tun würden.

In den genannten fünf Dimensionen kann die Haptik ein Mehr an Wirkung liefern. Und diese werden im ARIVA-Modell dargestellt.

Literatur-Tipp: „Touch! Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing“

Touch! Der Haptik-Effekt im multisenosrischen Marketing - Olaf Hartmann, Sebastian Haupt - Haprik als Wirkungsverstärker für Marken-KommunikationForschung. Wissen. Praxis. Mehr Informationen über die wichtige Rolle des Tastsinns, von Berührung und Bewegung in der Markenführung geht nicht. Das Fachbuch „Touch!“ von Olaf Hartmann und Sebastian Haupt ist Pflichtlektüre für alle Marken-Verantwortliche.

Denn es bietet einen umfassenden Fundus an Wissen über haptische Effekte, garniert mit den aktuellsten Forschungsergebnissen und spannenden Praxisbeispielen. Dabei erhält der Praktiker eine wertvolle Systematik an die Hand, wie er mithilfe von Haptik seine Marketing-, Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen noch erfolgreicher macht.

Unser Fazit ist ganz klar: Lesen!

Grupe:

Gibt es eine sinnvolle Grenze, wie viele Sinne bei einer Marketingmaßnahme gleichzeitig angesprochen werden sollten? Oder gilt das Motto: Viel bringt viel?

Hartmann:

Das hängt immer davon ab, welche Botschaft ich senden möchte. Pauschal kann man sagen: Wenn ich die gleiche Botschaft über mehrere Sinne senden kann, dann bringt jeder zusätzliche Sinn mir 1000 Prozent mehr Spannung im Kopf. Also Faktor 10. Das ist der Effekt der multisensorischen Verstärkung, wie er im Labor gemessen wird.

Aber auch in realen Situationen bringt jeder zusätzliche, kongruent eingesetzte Sinnesreiz eine exponentielle Steigerung. Das heißt: Jeder zusätzliche Sinn wird nicht einfach addiert, sondern multipliziert die Wirkung.

Es lohnt sich also immer, sich darüber Gedanken zu machen: Kann ich meine Botschaft noch zusätzlich über einen weiteren Sinn kodieren? Im optimalen Fall kann ich Codes auf allen fünf Sinnesebenen einsetzen. Aber das ist in der Praxis nur selten möglich. Wichtig ist vor allem, dass alle kodierten Botschaften zusammenpassen und auf den Markenwert einzahlen. Es darf keine falsche oder widersprechende Botschaft dabei sein.

Daher lautet meine Antwort: Setzen Sie so viele Sinne wie möglich ein. Aber viel hilft nicht immer viel. Wichtiger ist, dass es sich um kongruente Sinnesreize handelt.

Grupe:

Sie sprechen von Sinneseindrücken, die wie eine Art Code für Markenbotschaften wirken. Gibt es eine todsichere Vorgehensweise, wie Marketing-Profis den passenden Sinnescode für ihre Marke finden?

Hartmann:

Der entscheidende Weg führt über die Resonanzfelder. Resonanzfelder sind allgemeine Vorstellungen in den Köpfen meiner Zielgruppe, die ich aktivieren kann. In diesen Resonanzfeldern sind Codes enthalten. Und diese Codes nutze ich für meinen Zweck. Erst das Resonanzfeld verwandelt die Botschaft in einen Sinn.

Ich muss vom Markenwert zu einem passenden Resonanzfeld gehen und aus dem Resonanzfeld heraus die Frage beantworten, wie die sinnliche Ausprägung ist.

Pauschal kann man beispielsweise nicht sagen, wie Innovation oder Leistung riecht. Ich brauche die Übersetzung. Leistung kann über die Formel 1 transportiert werden. Dann riecht die Leistung nach Öl und verbranntem Gummi.

Oder nehmen wir Freiheit. Freiheit kann man mit dem Resonanzfeld Meer transportieren. Welches sind die konstituierenden Signale für das Gefühl von Freiheit in Verbindung mit Meer? Wie riecht die Freiheit? Wie hört sie sich an? Viele Menschen beantworten dies mit Salz, Mövengekreische oder Wellenrauschen. Und damit haben wir sehr starke, konstituierende Codes für die Botschaft „Freiheit“ gefunden – wenn wir diese mit dem Bild des Meers transportieren wollen.

Man könnte aber auch die Freiheit der Berge als Resonanzfeld nutzen und würde zu ganz anderen sinnlichen Übersetzungen gelangen. Dann riecht es eher nach Fichtenholz und ich höre keine Möwe, sondern einen Steinadler.

Welches Resonanzfeld das richtige ist, hängt immer von der Zielgruppe ab. Auf jeden Fall: Je mehr solcher Codes ich anwende, desto besser und stärker ist die Kommunikation.

Das gilt, wenn ich mich auf der kommunikativen Ebene der Multisensorik befinde, also wenn ich eine bestimmte Botschaft senden oder verstärken möchte. Darüber hinaus gibt es aber auch noch eine rein qualitative Ebene.

Beispielsweise kann ich die Konzentrationsfähigkeit im Beratungsgespräch über Duft erhöhen. In diesem Fall wird keine Markenbotschaft gesendet, jedoch trotzdem für die Marke ein positiver Effekt erzeugt: Die Gespräche, die dann in so einem Beratungsraum stattfinden, sind klarer, dauern länger, enden besser und die Beteiligten behalten mehr Informationen.

Oder nehmen wir das Beispiel Veilchenduft. Dieser beruhigt das vegetative Nervensystem. Man kann also Veilchenduft unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, auf einer rein qualitativen Ebene, dazu nutzen, in einer beliebigen Situation Ruhe herzustellen. Und zwar auch innerliche Ruhe. Und das wiederum färbt auf die Wahrnehmung von weiteren Marken-Signalen ab.

Grupe:

Gerade in der Live-Situation erscheint es besonders naheliegend, ein konkretes Produkt anfassen oder ausprobieren zu lassen. Was aber machen Anbieter von nicht greifbaren Produkten oder Services? Haben Sie für diese einen Tipp?

Hartmann:

Auch bei komplexen, nicht anfassbaren Produkten sind die Überzeugungsstrukturen des Menschen ähnlich. Der Mensch sucht immer nach konstituierenden Sinnessignalen.

Multisensorisches Marketing - Haptik - Service factory - Eventagentur in München
Das kennen Sie vielleicht aus dem Autokauf. Wenn ich nichts von Autos verstehe: Was mache ich dann? Ich mache die Tür auf und lasse sie ins Schloss fallen. Wenn sich das gut anhört, dann denke ich: Ja, der Wagen ist in gutem Zustand. Sie sehen daran das Bedürfnis des Menschen, sich konstituierende Signale zu suchen, auch wenn sie daraus gar kein Qualitätsurteil fällen können.

Bei intangiblen Gütern ist es ähnlich: Ich kann diese nicht Probefahren. Ich kann die Tür nicht zuschlagen. Ich muss dann alternative Erlebniswelten mit den entsprechenden Signalen schaffen. Über den Prospekt, über das Verhalten des Mitarbeiters, über die Beratungssituation, über die Haptik am Counter – damit kann ich das sonst nicht Berührbare plötzlich berührbar machen.

Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang: Das Gewicht beeinflusst unsere Wahrnehmung von Kompetenz. Es gibt Untersuchungen darüber, dass Bewerber bevorzugt werden, wenn diese ihre Unterlagen auf einem schweren Klemmbrett überreichen. Fragt man den Verantwortlichen dann nach dem Grund seiner Entscheidung, sagt dieser beispielsweise: „Ich habe einfach ein gutes Gefühl bei diesem Bewerber.“ Aber die Herkunft von dem Gefühl kann er gar nicht verorten. Der haptische Reiz „Gewicht“ färbt unsere Wahrnehmung von Kompetenz.

Wie kann man das anwenden? Möchte beispielsweise eine Firma bei einem Event eine Dienstleistung transportieren, die mit Kompetenz zu tun hat, sollte sie viele Reize senden, die mit Gewicht zu tun haben. Das fängt bei der Einladungskarte an und zieht sich durch bis zur Visitenkarte.

Jeder Mensch hat eine Erwartung bezüglich des Gewichts eines Gegenstandes. Wird diese Erwartung um ca. 15 Prozent überschritten, wird das mentale Konzept „Gewicht“ aktiviert und die wahrgenommene Kompetenz steigt.

Grupe:

Wenn heute ein Markenverantwortlicher seine Live-Markenerlebnisse durch solche multisensorische Effekte, wie Düfte oder Akustik, verstärken möchte – wohin wendet er sich dann?

Hartmann:

Zum Beispiel an das Multisense Institut. Das Institut berät in strategischen Fragen, beispielsweise: wie optimiere ich Serviceketten, wie verbessere ich die Produkterfahrung oder wie schaffe ich es, eine bessere interne Kommunikation bei einer Produktneueinführung herzustellen.

In allen Bereichen geht es darum, wie diese multisensorisch aufgeladen und optimiert werden können.

Wenn das Konzept steht, dann braucht man natürlich jemanden, der die Duftmoleküle liefert oder andere Hersteller. Da greifen wir dann auf Dienstleister zurück oder geben entsprechende Empfehlungen.

Grupe:

Sie arbeiten täglich für namhafte Kunden an multisensorischen Marketingkonzepten. Gibt es Anwendungsbeispiele aus der Praxis, die Sie besonders beeindruckt haben?

Hartmann:

Wir haben einmal für eine Sparkasse mit rund 2.000 Beratern gearbeitet, um die Akzeptanz für eine Kreditkarte zu erhöhen – also ein höchst abstraktes Produkt aus der Finanzdienstleistung.

Durch eine reine Veränderung der Produktpräsentation am Schalter unter multisensorischen Gesichtspunkten haben wir für den Kunden eine Absatzsteigerung um 50 Prozent erreicht. Diese Zahlen sind fast schon unseriös hoch. Insbesondere da sich das Produkt nicht verändert hat. Diese Tendenz hat sich dann pro Jahr noch einmal um 13 bis 17 Prozent fortgeführt und ist bis heute weiter nachhaltig gestiegen.

Das zeigt ganz deutlich: Wir befinden uns immer seltener im Wettbewerb der Produkte, sondern wir befinden uns im Wettbewerb um die Wahrnehmung der Qualität der Produkte.

Grupe:

Welche Zukunft sehen Sie für das Marketing mit allen Sinnen in einer zunehmend technisierten, digitalen Welt?

Hartmann:

Das Marketing mit allen Sinnen hat große Zukunft. Denn gerade bei digitalen Schnittstellen ist die multisensorische Optimierung äußerst wichtig. Die große Explosion in der Digital-Technik ist ja erst durch die Touchscreens gekommen. Da hier das Digitale das Bedürfnis nach Berührung bedient.

Die psychologische Inbesitznahme, dieser Haptik-Effekt, funktioniert auch bei den Touchscreens der Tablets. Produkte, die nur mit einem Mausklick gekauft werden, erfahren eine wesentlich geringere Wertschätzung als Produkte, die auf einem Tablet eingekauft werden. Da ich sie beim Kaufprozess vergrößert, vielleicht bewegt oder sonst irgendwie manipuliert habe. Ich habe also einen stärkeren physischen Kontakt damit hergestellt. Und das beeinflusst die Wertschätzung und Zufriedenheit mit dem Kauf.

Daher ist das Wissen rund um die Multisensorik auch für die Gestaltung der digitalen Touchpoints von großer Bedeutung. Die Magie liegt in der Verbindung der Stärken der Digitalisierung mit der Aufladung durch eine sensorisch reichhaltige Interaktion.

Dabei ist zum Beispiel die Bildsprache auf dem Tablet wichtig. Es sollten Metaphern genutzt werden, die das Gehirn direkt in eine sinnliche Erfahrung übersetzen kann. Beispielsweise kann man statt einem flachen Button auf dem Interface einen Druckschalter simulieren und das schöne Gefühl, diesen zu betätigen, mit einem passenden Klack-Ton unterstützen. So wird der digitale Kontakt für das Gehirn reichhaltiger und spannender als ein flacher Button.

Multisensorisches Marketing - Service Factory - Eventagentur in München
Im Endeffekt kann man zusammenfassen: Multisensorisches Marketing ist kein Trend, der irgendwann einmal wieder verschwindet. Im Gegenteil: Es wird an Bedeutung immer weiter gewinnen. Denn multisensorisches Marketing heißt nichts anderes als erfolgreiches Marketing.

Die Produkte unterscheiden sich immer weniger. Ihr psychologischer und emotionaler Wert muss spürbar gemacht werden. Da die Kommunikationskanäle überproportional zunehmen, nicht aber die Budgets, steigt gleichzeitig der Anspruch an die Effizienz. In diesem Szenario ist die Beschäftigung mit der Multisensorik unbedingt notwendig. Denn multisensorisch optimierte Kommunikation ist effektiver, wird schneller wahrgenommen und länger behalten, ist glaubwürdiger und damit effizienter.

Grupe:

Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch und die vielen Anregungen für mehr Sinnlichkeit in Marketing, Kommunikation und Vertrieb!

Stephanie Grupe

Stephanie Grupe betreut die PR-Arbeit der Service Factory. Sie ist seit über 20 Jahren PR-Professional mit Leidenschaft und Autorin des Standardwerks "Public Relations – Ein Wegweiser für die Praxis". Als "Modeflüsterin" gehört sie zu den führenden Fashion-Bloggerinnen über 50 in Deutschland.

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